Vielfalt leben und auskosten
Interview mit Kristina Grbesic, Restaurantleiterin Provisorium46
Kristina, seit wann bist du Restaurantleiterin des Provisorium46? Was hast du davor gemacht?
Seit November 2017 leite ich das Provisorium46. Ich habe das KV gemacht und bin als Quereinsteigerin zur Gastronomie gekommen. Beim Ingwerer in Bern habe ich in der Administration gearbeitet und hatte die Möglichkeit Start-up-Luft zu schnuppern. Währenddessen habe ich das Wirtepatent absolviert und eine Saison lang im Café Fleurie im Botanischen Garten in Bern gearbeitet. Dort kam ich bereits mit dem Kochen von einfachen, saisonalen und kreativen Gerichten in Berührung.
Was ist das Besondere am Provisorium46?
Das Provisorium46 ist ein Inklusionsprojekt des Vereins Blindspot, der sich für Inklusion und die Förderung von Vielfalt einsetzt.
Mit dem Provisorium46 soll der Mehrwert einer vielfältigen Gesellschaft auf ungezwungene Art versteh- und greifbar gemacht werden. Junge Menschen mit und ohne Behinderung werden hier zu einem selbstbestimmten Leben im ersten Arbeitsmarkt befähigt. Daher wird auch das Restaurant von einem durchmischten, vielfältigen Team geführt.
Ich selbst bin mit einem gastronomischen Fokus ins Provisorium46 gekommen und führe ein Team, in dem Menschen mit Behinderung Teil des Teams sind. Das ist für mich sehr reizvoll. Die Stimmung ist sehr gut, denn Vielfalt lässt auch zu, dass witzige Situationen entstehen können – im Team aber auch mit den Gästen. Die verschiedenen Sichtweisen in einem durchmischten Team können im Alltag sehr erfrischend und inspirierend sein.
Und was steckt hinter dem Namen Provisorium?
Das Team von Blindspot hat das Restaurant mit sehr viel Eigenleistung gestaltet und eröffnet. Gestartet hat alles 2016 mit einer EM-Bar auf der Terrasse. Ziel ist es, das Haus in ein Projekt «Labor Inklusion» zu verwandeln. Während der geplanten Sanierung des Hauses werden wir mit weiteren Projekten unterwegs sein, unter anderem mit unserem Oldtimer Foodtruck.
Mit lunchidee engagieren wir uns zusammen mit Pilotrestaurants für eine nachhaltige und gesunde Esskultur. Wie stehst du persönlich dazu?
Ich interessiere mich sehr für das Thema nachhaltige Entwicklung und versuche auch im privaten Leben einen nachhaltigen Lebensstil zu pflegen.
Die Teilnahme bei lunchidee war aber auch im Team spannend, da jeder das Thema anders versteht und umsetzt. Wir haben Anstösse erhalten umzudenken, zusammen darüber zu reden und so dazu gelernt.
Ich finde es als Leiterin eines Restaurants wichtig, dass man die Philosophie, die man den Gästen gegenüber kommuniziert – auf der Website und der Menükarte – auch authentisch lebt. Das Thema Nachhaltigkeit ist wichtig und hochaktuell. lunchidee hat uns aufgezeigt, dass Vieles auf schöne und einfache Art möglich ist, ohne dass es ein zu grosser «Chrampf» ist. Jeder kann etwas beitragen.
Ihr achtet auf ein frisches Angebot und bevorzugt biologische und saisonale Produkte. Auch VegetarierInnen und VeganerInnen werden bei euch glücklich. Wo siehst du noch Verbesserungspotential bei euch im Betrieb?
Man kann bei diesem Thema nicht perfekt sein – absolute Konsequenz ist schwierig. Wir haben zum Beispiel auch im Winter eine frische Gurke im Burger. Durch die Sensibilisierung stossen wir aber auf wichtige Themen. Das ist der erste Schritt. Dann können wir im Team besprechen, wo wir noch Kompromisse machen oder welche Alternativen es gibt: Zum Beispiel Essiggurken selbst einzumachen oder die Gurke durch saisonales Gemüse zu ersetzen.
Verbesserungspotential haben wir noch bei der Ausweitung des Angebots an biologischen Produkten. Bei einzelnen Produkten würden wir gerne noch regionaler werden. Und auch beim Thema Verpackungen und Plastikabfall gibt es noch Potential.
Welches Monatsthema hat dir persönlich am besten gefallen?
Das Thema Gemüsevielfalt war für mich sehr inspirierend. Ich habe mir ein Buch über alte Gemüsesorten gekauft und beim Sortiment unseres Lieferanten nochmals nachgesehen, wo wir mal was anderes bestellen könnten, beispielsweise eine andere Tomatensorte.
Geblieben ist mir auch, als unser isländischer Koch Ymir mir vor kurzem erzählt hat, dass es klimatisch bedingt nur eine sehr kleine Auswahl an frischem Gemüse in Island gibt und dass wir doch die unglaubliche Vielfalt, die wir hier in der Schweiz haben, auskosten sollten, wenn wir schon die Möglichkeit dazu hätten!
Wir danken Kristina für ihr Engagement und das erfrischende, offene Gespräch.
Das Interview führte Sophie Frei, Projektleiterin von lunchidee.